Ich bin als die einzige Tochter in einer männlich dominierten, IT lastigen Familie aufgewachsen. Bei uns hat sich alles um IT gedreht, meine Mutter und ich waren in der Minderheit und hatten so kaum die Möglichkeit das Tagesgespräch am Abendtisch zu bestimmen. Insofern habe ich schnell begonnen, mich auch für die IT zu interessieren und über den Tellerrand zu schauen.
Ich darf also von mir behaupten, dass ich nicht nur die weibliche Seite in der IT kenne, sondern auch eine ungefähre Ahnung davon habe, wie Männer diesbezüglich ticken.
Eines, was ich in den vielen Gesprächen gelernt habe, ist, dass Frauen eine wesentliche Eigenschaft haben, die den Männern häufig fehlt: Wir haben so etwas wie einen sechsten Sinn. Wir können nämlich unheimlich gut zwischen den Zeilen lesen und entdecken dabei viel Unausgesprochenes oder Verdecktes. In einer E-Mail lesen wir subtile Bedeutungen in den kürzesten Sätzen heraus, während die meisten Männer blind dafür sind und dann noch behaupten, wir Frauen würden alles überbewerten (ich gebe es offen zu, ich neige auch ein wenig dazu ;)!).
Eine weitere tolle Fähigkeit ist, dass wir in Zusammenhängen denken: In einem Gespräch fällt ein Kommentar über eine andere Person und in Blitzgeschwindigkeit klopfen wir die gesamte Datenbank in unserem Kopf ab und haben dazu alles, was wir über diese Person jemals gehört haben, abrufbar.
Diese Eigenschaft ist auch unglaublich hilfreich in unserem Job als Business Analysten, vor allem, wenn es darum geht mit Stakeholdern zu interagieren und in einer Besprechung schnell das Wesentliche herauszufiltern. Allerdings hat das ganze einen Haken: Oft fehlen die klaren Fakten, um diese Vermutungen zu bestätigen und damit ist die Wahrscheinlichkeit auch gegeben, dass diese Ahnungen und Eingebungen auch falsch sein können.
Aber es wäre falsch zu behaupten, dass Männer nicht auch diese Ahnungen und Vermutungen hätten! Allerdings scheint es mir so, dass Männer oft nicht die Zusammenhänge sehen oder auf die Idee kommen, dass in jeder verbalen Botschaft auch eine nonverbale stecken könnte. Das typische (weltliche und nicht BA bezogene) Beispiel ist, dass Frauen kurz vor ihrem Geburtstag versteckte Hinweise geben, was sie sich eigentlich wünschen und dann maßlos enttäuscht sind, wenn der Mann das nicht begreift (an dieser Stelle plädiere ich dafür, dass Frauen mit diesem Unsinn aufhören sollten! Wenn Du etwas willst, dann sprich es auch deutlich aus, alles andere ist doch wirklich unnötig und Energieraubend – für beide). Die Stimmung ist dann spätestens bei der Feier und der Geschenksübergabe dahin…
Aber beide Methoden, sowohl mit Ahnungen als auch mit Nichtausgesprochenem umzugehen, haben in der Business Analyse ihren Platz. Im Gespräch mit unseren Stakeholdern ist es wichtig, dass wir beide Eigenschaften besitzen und auch einsetzen können. Manchmal ist es gut, wenn wir zwischen den Zeilen lesen können und Annahmen treffen. Aber manchmal ist die bessere Strategie, viele Fragen zu stellen, um wirklich zu begreifen. Wer Fragen stellt ist nicht dumm oder begriffsstutzig, sondern beweist seinem Gegenüber ehrliches Interesse.
Männer sind dazu aufgerufen, mehr auf die subtilen Signale ihres Gegenübers zu achten und beispielsweise rechtzeitig zu bemerken, wenn ein Stakeholder frustriert oder besorgt ist, dass das Projekt nicht läuft wie es sollte. Sie sollten dann den aufgestellten Vermutungen nachgehen und überlegen, was tatsächlich nötig an Änderung ist oder ob das für sie überhaupt in dem Kontext relevant ist.
Frauen: Steht zu dieser Eigenschaft und bildet Euch Eure Vorannahmen! Aber vergesst nicht, diese auch rechtzeitig zu überprüfen und behaltet im Hinterkopf, dass nicht jede Annahme richtig sein muss.
Aber egal, ob männlich oder weiblich: Seid die besten BAs, die es gibt, und holt das Beste aus den Projekten (und Euren Skills) heraus!
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