1983 wurde dem Getty-Museum in Los Angeles eine Statue angeboten, die Experten nach monatelanger Prüfung auf zwischen 7 und 9 Millionen Dollar schätzten. Drei weitere weltweit anerkannte Experten sagten aber bereits nach 2 Sekunden, dass die Statue eine geniale Fälschung sei. Warum können sie auch nicht genau sagen, irgendetwas passt einfach nicht… Misstrauisch geworden, wurde ein neuer Experte vom Museum um eine Schätzung gebeten. In dem aktuellsten Gutachten ist heute noch zu lesen „ca. 530 v.Chr. oder eine moderne Fälschung“. Vierzehn Monate Expertise versus zwei Sekunden Intuition.
Fazit: Spontanentscheidungen können manchmal so gut sein wie rationale Analysen.
Aber wie trügerisch sind unsere eigene Wahrnehmungen? Eine Studie aus München hat ergeben, dass pro Zentimeter Körpergröße, den Sie mehr haben als Ihre anderen Mitarbeiter, Ihr Gehalt um 0,6% steigert. Großen Menschen liegen wir eben zu Füßen bzw. finden wir beeindruckender.
In dem Buch „Blink!“ vom amerikanischen Journalisten Malcolm Gladwell geht es genau darum: Um den ersten Blick, um das „adaptive Unbewusste“ des Gehirns, das die Entscheidungen für uns schnell und auf einfache Weise trifft. „Blink!“ handelt von diesem ersten Blick und wie er für den Alltag trainiert werden kann.
Dafür hat Gladwell selbst Übungen durchgeführt. Eine davon, soll unser schwarz-weiß Denken entlarven. Die Assoziationsketten wie „männlich-Beruf“ und „weiblich-Familie“ sind hinlänglich bekannt. Werden aber diese Assoziationen umgestellt und männlich mit Familie bzw. weiblich mit Beruf verbunden, fallen Entscheidungen zum Thema Haus beispielsweise viel schwerer.
Für einen kurzen Moment ist der Leser überrascht, ortete es dann aber als eine Alltagsweisheit ein, die in Studien einfach aufbereitet und nachgestellt worden ist. Gladwell hat aber ein weiteres Beispiel in seinem Buch „Blink!“ parat: Eine Hornistin spielt hinter einem Wandschirm erfolgreich bei den Münchner Philharmonikern vor. Erst als der Dirigent bemerkte, dass eine Frau das Horn spielte, wurde sie sofort abgewiesen. Das Horn gilt eben als ein männliches Instrument. Sind mehr Wandschirme bei Vorstellungsgesprächen eine Lösung? Laut Gladwell ja, zumindest hilft es uns, das Umfeld zu kontrollieren, in dem schnelle Entscheidungen stattfinden.
Gladwell berichtet auch über die Erkenntnisse aus der Physiognomie, bei der wir, wenn wir die von den 10.000 Gesichtsausdrücke des Menschen wichtigsten kennen würden, praktisch Gedankenleser wären.
Wäre es aber nicht unmenschlich und falsch von beispielsweise einem Polizisten zu verlangen, dass er in nullkommanix in einer gefährlichen Situation einfach kurz innehalten würde, um die Gedanken des Menschen zu lesen, der hinter der auf ihm gerichteten Waffe steht? Nein, meint Gladwell. Unser Gehirn sei in der Lage, dass wir Augenblicke in Zehntelsekunden in solche Häppchen zu verpacken, dass wir spontan und richtig entscheiden könnten. Wie wir das machen? In dem wir unsere Intuition ernst nehmen und sie lernen zu schärfen.
„Blink!“ ist überraschend schlicht gehalten, aber auf banale Passagen folgen faszinierende Geschichten (manchmal samt Belege). Ein kurzweiliges, sehr amerikanisches Buch, dass der Leser nicht immer ernst nehmen sollte. Die Magie des Augenblicks eben.
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