Vor kurzem hatten meine Frau und ich die Gelegenheit für einen Tag einen Tesla Model S zu testen. Sie wissen schon, dieses Elektro-Auto von der Firma aus Kalifornien, die vor 5 Jahren kaum jemand gekannt hat. Vor ein paar Wochen hat diese Firma das Modell 3 vorgestellt und innerhalb von 24h 115.000 Vorreservierungen von Kunden bekommen, obwohl alleine die Reservierung 1.000 USD kostet und die Auslieferung frühestens 2017 erwartet werden kann.
Bevor ich hier von meinen Erfahrungen berichte, möchte vorwegnehmen, dass ich mich überhaupt nicht als einen Autofreak bezeichnen würde. Im Gegenteil: Es hat mich nie interessiert an einem Auto herumzubasteln. Mein Interesse galt eher den Flugzeugen. Und als Kind dachte ich, dass ich später überhaupt nie ein Auto besitzen werden. Heute, insbesondere nachdem wir uns etwas außerhalb von Wien angesiedelt haben, sehe ich die Vorteile eines Autos doch ziemlich bestechend.
Camille Jenatzy in seinem Elektroauto La Jamais Contente, 1899 (Quelle: Wikipedia)
Aber eines ist trotzdem immer im Hinterkopf geblieben: Das Argument mit der Umwelt. Jedes Monat diese ungeheuren Mengen Treibstoff tanken und als CO2 und andere Gifte wieder in die Luft blasen, kann auf Dauer nicht funktionieren. Aber die Alternativen sind anscheinend für die meisten Menschen nicht interessant genug, das beweist der aktuelle KFZ-Bestand von über 1 Mrd Fahrzeuge weltweit, natürlich fast ausschließlich mit Verbrennungsmotoren. Elektroautos sind in diesem Kontext eine Möglichkeit, die Vorteile des Individualverkehrs umweltverträglicher zu machen. Bisherige Modelle von Elektrofahrzeugen hatten allerdings eklatante Schwächen, sodass sie sich nie durchsetzen konnten.
Was viele nicht wissen: Die ersten Elektroautos gab es übrigens schon im 19. Jahrhundert: Um 1900 waren 40 % der Autos in den USA dampfbetrieben, 38 % elektrisch und nur 22 % funktionierten mit Benzin (Quelle: Wikipedia). Die Reichweite betrug damals bereits über 100 km! Elektrizität war das neue Wunderwerk und viele bekannte Erfinder (wie bspw. Edison oder auch Nikola Tesla) haben sich intensiv damit auseinandergesetzt. Billiges Öl, technische Neuerungen (z.B. den Anlasser) und einige Faktoren, die aus technologischer Sicht eigentlich nicht erklärbar sind, führten dazu, dass sich der Verbrennungsmotor jedoch trotzdem durchsetzte.
In den folgenden 100 Jahren hat sich daran nicht viel geändert, bis ein gewisser Elon Musk ein paar seiner Millionen, die er aus dem Verkauf der Firma Paypal gemacht hat, in eine Autofirma investierte, um die Elektromobilität zum Standard zu machen: Erst mit dem Roadster, dann mit dem Model S bzw. Model X und in Zukunft mit dem Model 3.
Da steht es also, dieses Auto, über das die Technologiewelt staunt und von dem gesagt wird, dass es die Welt der Automobile ändern wird. Eine weitere Industrie steht angeblich vor einer Disruption…
Was sagen die Fakten?
Die technische Daten sind beeindruckend und passen zu der Klassifizierung des Wagen als Oberklasse – genauso wie der Preis: Ab 75.000 ist man dabei, durch diverse Extras landet man aber auch schnell bei über 100.000 EUR.
Was beim Tesla Model S sofort auffällt sobald man davor steht oder einsteigt: Das ist ein „echtes“ Auto. Ein Auto, das man haben will. Ich zumindest. Und ich bin, wie gesagt, kein Auto-Freak, aber sicherlich ein Technik-Freak. Und bei diesem Auto komme ich voll auf meine Kosten.
Das Innere des Wagens ist geräumig, der erste Blick fällt sofort auf das große, 17″ Display, das hochkant in der Mittelkonsole eingebaut ist. Physische Schalter und Knöpfe gibt es fast keine (bis auf die üblichen für Blinker, Licht, etc. am Lenkrad). Alle weiteren Einstellungen, wie Klima-, Radio- oder Fahrzeugeinstellungen werden über das große Display eingegeben. Das ist am Anfang etwas ungewohnt, bringt aber große Vorteile. Denn das Model S ist eine Generation von Auto, die nicht mehr nur über die Hardware definiert wird, sondern in großem Maße über die Software. Doch dazu später mehr.
Auch wenn ich noch nie ein Elektroauto selbst besessen habe, habe ich bereits einige getestet: Darunter einen Prius Hybrid, der allerdings nur bei geringen Geschwindigkeiten rein elektrisch fährt, und ein smart fortwo electric drive.
Was alle Elektroautos gemeinsam haben: Die angenehme Ruhe beim Beschleunigen. Ich habe nie verstanden, warum es Leute gibt, die sich in ihr Auto einen Sportauspuff verbauen oder gar absichtlich Löcher in den Endtopf bohren. Die Fahrt mit einem Elektroauto zeigt bereits nach wenigen Metern, wie angenehm diese Ruhe ist. Man steigt ein, schaltet den Wagen an und rollt an. Alles ruhig und entspannt. Kein Motorenlärm. Das finde ich einfach angenehm.
Wer es etwas dynamischer will, wird vom Tesla aber bei weitem nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Ganz ruhig und entspannt wird in bereits 2 Sekunden locker die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Ich habe unser Testauto in Wien und dann damit meine Frau in Klosterneuburg abgeholt. Der Weg dorthin führte mich über Stadtgebiet (50 km/h) und Bundesstraßen (70 km/h) und einige Ampeln. Normalerweise nerven rote Ampeln, mit dem Tesla ist das anders. Diese irre Beschleunigung macht einfach Spaß. Besonders, wenn man dabei einen Porsche oder sogar ein Motorrad locker abhängt.
Warum ist der Tesla eigentlich so schnell? Einerseits hat Tesla nicht an Batterie-Power und Motorleistung gespart. Andererseits bringen Elektromotoren bei jeder Geschwindigkeit das volle Drehmoment auf die Straße. Dadurch ist auch ein Getriebe nicht notwendig. Während andere Autos schalten müssen, um höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, übertragen Elektromotoren durchgängig Kraft auf die Räder. Man fährt also nicht nur mit Automatik, es gibt nicht mal Gänge, die geschalten werden müssen.
Mir persönlich gefällt übrigens auch das Gegenteil der Beschleunigung. Nur nennt man das beim Tesla nicht „bremsen“, sondern rekuperieren. Natürlich kann der Tesla auch bremsen, aber wer vorausschauend fährt, nutzt die Energierückgewinnung, sobald der Tesla langsamer wird. Der Elektromotor funktioniert dann wie ein Generator und erzeugt Strom, der in der Batterie gespeichert wird. Hat man das erst einmal im Gespür, kann man so wunderbar im Stadtverkehr oder auch Überland fast ohne zu bremsen fahren (wenn man das Bremspedal nur leicht betätigt, rekupiert der Wagen automatisch). Das schont die Bremsen und erhöht die Reichweite. Apropos Reichweite:
Ein großes Manko der meisten Elektroautos ist die Reichweite. Kaum ein Fahrzeug schafft in der Praxis mehr als 150 km. Das ist eigentlich für die meisten täglichen Fahrten überhaupt kein Problem, aber trotzdem schränkt es die Mobilität auf längere Strecken ein.
Mit einer (Norm-)Reichweite von 500 km, die sich in der Praxis je nach Witterung und Fahrweise noch um 20% bis 50% reduzieren, ist der Tesla auch perfekt für Vielfahrer. Das liegt einerseits an der großen Batteriekapazität, andrerseits aber auch an den Lademöglichkeiten. Tesla bietet mit dem firmeneigenen Superchargern ein kostenloses und performantes weltweites Ladenetz an.
Ein Beispiel: Die Fahrt von Wien nach München ist etwa 400 km lang, mit einer Fahrzeit von etwas mehr als 4 Stunden. Diese Strecke bin ich schon oft mit dem Auto gefahren. Längere Strecken meide ich eher mit dem Auto, da ist Bahn und Flugzeug auf jeden Fall angenehmer. Mit der Reichweite des Tesla Model S wäre die Reise also theoretisch zu machen, aber nur bei optimalen Witterungsbedingungen und sehr sparsamer Fahrweise. Aber wer will das schon bei einem Auto, das so schön schnell beschleunigt? Bei dieser längeren Strecke muss man also mindestens 1x nachladen. Wenn ich an meine bisherigen Fahrten Wien-München-Wien denke, hab ich meistens einen kurzen Stopp von etwa 20min eingelegt, um einen Kaffee zu trinken und mir die Füße zu vertreten. Lädt man in dieser kurzen Zeit den Tesla beim Supercharger nach, hat man wieder mind. 200km mehr Reichweite. Und auf der Strecke Wien-München gibt es je nach gewählter Strecke jetzt schon bereits 3-5 Supercharger.
Das zeigt mir: Beim Tesla gibt es so etwas wie ein Reichweiten-Problem eigentlich nicht. Und ich muss sagen, es ist ein ziemlich schlauer Zug von Tesla, nicht nur Autos zu bauen, sondern gleichzeitig auch für die Ladeinfrastruktur zu sorgen. Wir haben unser Testmodell übrigens in St. Valentin, kurz vor Linz, geladen (siehe Foto).
Wir sind also von Wien nach Linz gefahren, einen Teil über Bundesstraßen, aber das meiste über die Autobahn – und das aus einem guten Grund. Seit kurzem hat Tesla über ein Software-Update ein Feature aktiviert, das in den Medien viel Beachtung gefunden hat: Der Autopilot. An Board eines Teslas sind eine Menge Sensoren, beispielsweise ein Radar, 12 Ultraschall-Sensoren und eine nach vorn gerichtete Kamera. Während das Radar die Entfernungen und Geschwindigkeiten der Autos vor einem misst, checken die Ultraschall-Sensoren den Abstand zu Hindernissen im direkten Umfeld des Autos. Die Front-Kamera erfasst unter anderem die Fahrbahnmarkierungen und erkennt Autos vor einem.
Was das Auto „sieht“ kann man gut am Fahrer-Display ablesen, das übrigens auch rein elektronisch ist und keine analoge Anzeigen besitzt: Wenn das Auto die Spuren erkennt, werden diese am Display angezeigt, das eigene Auto in der Mitte. Auch Nebenspuren sowie Autos im näheren Umkreis werden angezeigt. Ein nettes Detail am Rande: Anhand der Kamera erkennt der Tesla die Größe der anderen Fahrzeuge und zeigt dementsprechend entweder einen PKW oder einen LKW an. Das ist zwar nicht unbedingt wichtig, hat bei mir aber ein gewisses Sicherheitsgefühl ausgelöst: Das Auto weiß anscheinend tatsächlich, was da draußen los ist.
Sind auf Fahrbahnen die Begrenzungen gut erkennbar, markiert diese der Tesla in blau. Und das bedeutet: Der Autopilot kann mit zwei kurzen Tippern an einem Lenkrad-Hebel aktiviert werden. Tja und dann lenkt der Tesla tatsächlich selbst. Anfangs ist es ein wirklich eigenartiges Gefühl, wenn sich das Lenkrad unter den Händen nach links und rechts dreht. Aber nach einiger Zeit merkt man, dass es super funktioniert und man theoretisch die Hände vom Lenkrad nehmen könnte. Und auch hier hilft die Anzeige im Display: Ich konnte sehen, wo genau sich das Auto zwischen den Fahrspuren befindet. Mal war es ein wenig weiter links, mal ein wenig weiter rechts zwischen den Spurlinien eingezeichnet. Ein Blick in die Spiegel zeigt, dass es stimmt. Ein weiteres Beispiel, wie das Display nicht nur Informationen übermittelt, sondern auch das Sicherheitsgefühl erhöht.
Ist der Autopilot aktiviert, funktioniert dann auch der automatische Fahrspurwechsel: Man betätigt ganz normal den Blinker und das Auto prüft, ob die Nebenfahrspur frei ist. Passt alles, beschleunigt das Auto wenn nötigt, spurt selbstständig um und weiter geht’s. Das ist einfach cool!
Laut Tesla sollte der Autopilot nur auf Autobahnen genutzt und die Hände sollten niemals vom Lenkrad genommen werden. Man muss also trotz Autopilot immer auf den Verkehr achten und jederzeit in der Lage sein, die Kontrolle wieder zu übernehmen (dazu reicht übrigens ein Tipp auf die Bremse oder eine selbst durchgeführt Lenkbewegung). Es gibt natürlich auch Beispiele, die zeigen, dass es auch einmal nicht funktioniert und sogar zu Unfällen führt. Aber ich denke, dass der Autopilot den Fahrkomfort bei langen Strecken extrem verbessern und dadurch manch Unfall vermeiden kann.
Ich denke, der Autopilot ist eine sinnvolle und konsequente Fortführung bestehender Möglichkeiten: In den 60er-Jahren waren die ersten Tempomaten verfügbar, ab den späten 90er-Jahren die ersten Abstandsregelautomaten (Adaptive Cruise Control, ACC) und heute gibt es beim Tesla eben den ersten serienmäßigen Autopiloten.
Unsere Rückfahrt führte uns nicht über die Autobahn, sondern zeigte uns das Mostviertel von seinen schönsten Seiten. Aber auch wir waren scheinbar ein sehenswerter Anblick. Tesla hat es anscheinend geschafft, Elektroautos sexy zu machen. Viele, viele Jahre hat man mit Elektroautos alles Mögliche verbunden, nur nicht Spaß und Geschwindigkeit. Wer heute mit einem Tesla durch die Landschaft fährt, kann sich sicher sein, die Blicke auf sich zu ziehen. Da drehen sich die Familienväter um und deuten aufgeregt auf das fast lautlos vorbeirollende Auto und erklären vermutlich den Kindern, was es damit auf sich hat. Ich glaube, wenn diese Kinder groß sind, werden sie vermutlich nicht einmal daran denken, ein Auto zu kaufen, das literweise Benzin oder Diesel lautstark verbrennt und die Luft damit verpestet.
Die Kombination aus der automatischen Distanzregelung und dem automatischen Lenken ist übrigens nicht nur auf der Autobahn praktisch. Auch auf der Landstraße funktioniert das System einwandfrei – wenn die Kurven nicht zu eng werden. Hier merkt man schnell, dass es noch viel, viel zu tun gibt, bis ein Autopilot so fährt, wie es ein menschlicher Fahrer tun würde: Der Autopilot fährt noch zu wenig vorausschauend. Die Geschwindigkeit wird zwar in der Kurve automatisch reduziert, aber ich mach das normalerweise vor der Kurve. Und wenn die Kurve zu eng wird, kommt das Auto manchmal gefährlich nahe an die rechte Fahrbahnabgrenzung. Ich kann aber nicht sagen, ob uns das Auto bei diesen Tests in den Graben gefahren hätte, denn sobald es mir unangenehm wurde, habe ich natürlich eingegriffen, dagegen gelenkt und so den Autopiloten deaktiviert.
Von Melk ging es dann weiter über die Wachau zurück nach Wien. In Krems sind wir dann in den üblichen Stau geraten. Und siehe da: Selbst im Stau ergibt der Autopilot seinen Sinn. Man muss eigentlich nichts tun, denn das Auto fährt bis zum Vorderauto heran, bremst ab, beschleunigt und folgt dem Vorderauto ohne irgendein Zutun. Aber auch hier gilt: Menschliche Fahrer sind da meistens etwas vorausschauender. Man bremst bereits, wenn das vor-vorige Auto langsamer wird und beschleunigt wieder etwas, wenn man merkt, dass es gleich weitergehen wird. Der Tesla ist da etwas nervig: vollständiger Stopp, Vorderauto fährt weiter, zu großer Abstand entsteht, zu schnelle Beschleunigung ist das Ergebnis und dann wieder ein zu aggressiver Bremsvorgang. Hier gibt es also noch Raum für Verbesserung…
Zurück in Wien: Die Batterie-Ladung von unserer 20-minütigen Rast ist noch längst nicht zu Ende. Aber leider die Probefahrt. In Wien stehen viel zu wenig Ampeln auf rot, schade. Zurück in unserem Benziner ist mein erster Gedanke: Verdammt, ist das laut. Und der zweite: Ich glaube, es ist Zeit einen Tesla Model 3 zu reservieren. Wir waren nicht die einzigen: Per 15. Mai wurden weltweit 373.000 gültige Reservierungen getätigt.
Es tut uns leid, aber dieses Kommentar wurde gesperrt.
Toll geschriebener Testbericht. Ich selber bin mitgefahren (leider nicht selber 🙂 ) und bin seither begeistert von diesem Auto. Auch für mich gilt: WILL HABEN dieses Wunderwerk der softwaregesteuerten Technik
wirklich gut recherchiert! Bin seit 3 Jahren begeisterte Tesla-Fahrerin und würde mir kein anderes Auto mehr kaufen. Macht jeden Tag Freude, einzusteigen und kann es nur jeden empfehlen.
Mein Mann hat sich den 3er natürlich schon bestellt 🙂
Gut erkannt, fahre jetzt ein Jahr Model S und würde nie mehr freiwillig in einen Verbrenner steigen, außer vielleicht als Leihwagen, wenn es nicht anderes geht.
Toller Artikel – vor der Firma Greenride kann ich aber nur warnen.
Habe für ein Firmenevent 4 Wochen davor 2 Teslas bei Greenride bestellt, eine Woche vor dem Event kam dann sogar schon die Rechnung. Bei Nachfrage wann denn die Teslas abgeholt werden können wusste bei Greenride niemand mehr was von der Bestellung. Kein Tesla mehr zu haben an den angeblichen 12 Standorten. Man könne mir jetzt nur leihweise einen privaten Tesla eines Mitarbeiters zur Verfügung stellen – damit dürfte aber dann nicht gefahren werden. Keine Teslas, keine Entschuldigung, kein Ersatz.
Also Hände weg von greenride.
Danke für den Hinweis, Sebastian. Bei uns verlief die Ausleihe auch nicht ganz unproblematisch: Wir haben unseren Wagen verspätet, mit leeren Batterien und verdreckt erhalten. War wohl keine Ausnahme, wie ich dachte. Ich habe den Hinweis auf greenride entfernt.