Gerade im Design Thinking setzen wir auf viele verschiedene Wege, um Probleme zu lösen. Aber im Grunde gibt es meiner Meinung nach neben den visuellen Denkern vor allem zwei Arten von Denkern: Die einen, die während des Sprechens zum Denken beginnen, die sogenannten Sprechdenker, und die anderen, die vorher sehr lange und gründlich grübeln bevor sie etwas sagen, die Denksprecher. Beide Vorgehen haben ihre Berechtigung, keine Frage.
Während der Sprechdenker erst im Dialog die genialsten Ideen hervorbringt, gelingt das dem stillen Denksprecher eher in der Zurückgezogenheit, bei sich, in Ruhe. Das Denken geschieht dann einfach, der Geist öffnet sich und schwups – der Gedanke ist da.
Ich gehöre wohl eher zu der ersteren Gruppe, meine Gedanken entstehen in der Reflexion und im Dialog mit anderen Menschen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich so gerne spazieren gehe – in der Bewegung kommt alles in Gang, nicht nur der Körper, sondern eben auch der Geist.
Gefährlich kann es allerdings für Sprechdenker dann werden, wenn sie unbedacht drauf losquatschen und sich vorher nicht die Zeit nehmen zu überlegen, was wir eigentlich wie wem sagen.
Ein Beispiel: Neulich habe ich mit einer Freundin einen Spaziergang unternommen und war vollkommen in Gedanken versunken. Wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten, alles schien wie immer zu sein. Doch plötzlich, mitten im Satz, blieb sie stehen und starrte mich an. Ups. Mir Schoß es heiß durch den Kopf: Irgendetwas muss ich wohl gesagt haben, dass ihren Nerv getroffen hat… Was konnte das nur sein? Schon leicht in Panik versetzt ließ ich das gesamte Gespräch in Ultrakurzzeit revue passieren – stopp: Da war es! Nochmals zurückgespult und dann in Zeitlupe: Ich hatte mich gerade über eine Sache lustig gemacht, die sie mir neulich anvertraut hat und ich hatte vergessen, wer mir das erzählt hat. Doppelups. Wie peinlich. Wie blöd. Wie verletztend. Wie ungeschickt. Wie komm ich da nur wieder halbwegs heil heraus?
Normalerweise zähle ich mich zu den Menschen, die sehr emphatisch auf ihr Umfeld reagieren. Das ist meiner Meinung nach auch eine wichtige Eigenschaft, die ein guter Berater mitbringen muss: Er sollte sein Gegenüber gut einschätzen können, die richtigen Fragen zur rechten Zeit stellen, wissen, wann es wichtig ist zu schweigen und wann wieder ein Input nötig ist, niemals voreingenommen in ein Gespräch gehen und ein Meister im Lesen der Körpersprache sein.
Das ist notwendig, um gemeinsam Lösungen zu finden, die angenommen werden können, das System als Ganzes zu verstehen und so wirklich Nutzen zu bringen.
Sei deswegen auch in einem Gespräch immer gut vorbereitet. Du musst wissen, wen Du was genau sagen möchtest: Worum geht es in dem Gespräch? Was ist der Grund für das Treffen? Was soll dabei erreicht werden? Soll eine Entscheidung getroffen werden oder geht es nur darum, dass Infos eingeholt werden sollen? Wer ist aller involviert, wer gehört eingeladen oder hinzugefügt?
Nur wenn Du Dir im Vorfeld darüber schon Gedanken gemacht hast, wirst Du die nützlichsten Infos liefern bzw. bekommen.
Die Gefahr beim Sprechdenken liegt nun allerdings darin: Wenn wir einfach so drauf losreden wie uns der Schnabel gewachsen ist, kann der Empfänger schnell dicht machen. Entweder prasseln dann plötzlich zu viele unnötige Informationen auf unser Gegenüber ein, sodass er auf als eine Art Schutzschild auf Durchzug schaltet, um seine Gehirnkapazität nicht unnötig zu belasten. Oder die Nachricht kommt nicht an, weil der Zusammenhang zu dem Thema fehlt und sich Dein Gegenüber fragt, warum Du seine kostbare Zeit so verschwendest.
Oder wir manövrieren uns, wie ich im obigen Beispiel, in eine unangenehme Situation hinein und alles straucheln und versuchen, da wieder heil herauszukommen, macht die Sache nur noch schlimmer.
All diese Situationen können die folgenden Gespräche erschweren. Der Gesprächspartner antwortet dann immer in größeren Zeitabständen auf unsere Fragen, die ganze Körperhaltung verrät seine Unsicherheit und sein Unwohl, Themen werden schnell gewechselt und Verunsicherung auf beiden Seiten zerstört das ganze Gespräch, so konstruktiv es vielleicht begonnen hat.
Ich für meinen Teil habe beschlossen, dass ich einen anderen Weg einschlage: Ich versuche mich als Schreibdenker. Dazu schreibe ich zunächst mal all meine Gedanken nieder und gehe dann erst in die Gespräche. So bin ich gut vorbereitet, kann mir die wesentlichen Punkte nochmals ansehen, aber ich bin nicht belastet, weil mein Kopf frei ist von allem möglichen, das mich bis dahin beschäftigt hat. Und ich kann mich so wieder voll und ganz auf das Gespräch und mein Gegenüber konzentrieren (und so dem einen oder anderem Fettnäpfchen vielleicht ausweichen).
Zu welcher Gruppe gehörst Du? Welche Erfahrungen hast Du mit anderen Sprechdenkern oder Denksprechern gemacht?
Ich freue mich von Euch zu hören!
Es tut uns leid, aber dieses Kommentar wurde gesperrt.
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Er ist eine Bereicherung, da man im Netz kaum etwas zu dem Thema „Sprechdenker/Denksprecher“ findet. Auch die Pointe Schreibdenker am Schluss ist erfrischend.
Interessant, denn vermutlich genau der gleiche Typ, wie oben beschrieben, bin ich selber auch.
Wie ist eigentlich das mengenmäßige Verhältnis von Sprechdenkern zu Denksprechern? Mein persönlicher Eindruck ist, dass es von letztern wesentlich mehr gibt.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es vor allem darauf ankommt, ob jemand selbstbewusst ist oder nicht und auch die eigene Extra- und Introvertiertheit spielt meines Erachtens nach eine große Rolle. Leute, die gerne unter Menschen sind und keine Berührungsängste haben, sind für gewöhnlich bei unseren Workshops diejenigen, die Sprechdenken, während die ruhigeren, beobachtenden Typen nicht so viel sagen, aber wenn, dann hat das Hand und Fuß. Wie ist deine Erfahrung dazu?
Ein paar Tipps aus meinen Erfahrungen habe ich hier zusammengefasst: http://www.designthinking-wien.at/blog/2015/10/sprechen-sie-um-zu-denken-oder-denken-sie-bevor-sie-sprechen
Danke für den wirklich guten Beitrag. Bis vor 30 min kannte ich den begriff Sprechdenker nicht, aber genau so einer bin ich wohl mit all seinen Vor- und Nachteilen *g*