Eben ist die Requirements Engineering Conference „ReConf 2012“ in München zu Ende gegangen.
Ich war am zweiten Konferenztag wegen meines eigenen Vortrags dort, habe selbst einige spannenden Vorträge besucht, Kollegen wieder getroffen und viele interessante Pausengespräche führen können.
Der Andrang zu meinem Vortrag „Soft Skills als Erfolgsfaktor im Requirements Engineering“ hat mich persönlich nicht nur sehr gefreut, sondern bestätigt weiters mein Fazit, dass soziale Kompetenzen einen höheren Stellenwert im Requirements Engineering genießen sollten.
Einige Fragen, die im Anschluss an den Vortrag gestellt wurden, waren:
- Sind soziale Kompetenzen erlernbar oder in die Wiege gelegt?
- Wie kann man dafür sorgen, dass das Thema „Soft Skills“ bei Mitarbeitern aufgegriffen wird?
- Funktioniert das nicht nur, wenn sich die Mitarbeiter schon von selbst dafür interessieren?
- Was ist die Erfahrung mit Mitarbeitern die geisteswissenschaftlich ausgebildet sind?
Diese Fragen und weitere Anregungen, die ich durch viele Gespräche auf der ReConf erhalten haben, werde ich in einem eigenen Beitrag diskutieren.
Hier folgt nun eine kurze Zusammenfassung ausgewählter Vorträge, die ich besucht habe. (Für einen Bericht vom 1. Konferenztag verweise ich gerne auf den Artikel von Wolfgang Göbl vom V-ARC).
IT-Recht
Keynote von Prof. Dr. Lambert Grosskopf: IT-Recht – fixiert auf das Scheitern um zum Erfolg zu verhelfen
Der Vortrag des Juristen war nicht nur sehr unterhaltsam, sondern hat auch einige interessante Einblicke in öfters und seltener auftretende Probleme im Zusammenspiel von IT & Recht gebracht.
Grundtenor: Richter und Anwälte sind auch nur Menschen. Sie haben Jura studiert und sind deswegen Rechtsexperten, aber eben keine IT-Experten. Deswegen: Alle Anforderungen möglichst gut dokumentieren, weil diese dann – wenn es Probleme gibt – vom Sachverständigen beurteilt werden. Leider bedeutet das natürlich zusätzlichen Dokumentationsaufwand! Das geht sogar so weit, dass alle Begriffe für einen Nicht-Techniker erläutert werden sollten – selbst wenn sich der Kunde dazu zählt.
Meiner Meinung nach schießt das dann aber häufig übers Ziel hinaus. Ich persönlich bevorzuge dazu die dritte Wertaussage des agilen Manifests („Customer collaboration over contract negotiation“): Eine gute Zusammenarbeit mit dem Kunden lässt es gar nicht erst so weit (bis zum Richter oder Schiedsgericht) kommen.
Interessant waren jedoch auch die Bemerkungen zum Urheberrecht: Rein rechtlich sind die Anforderungen Teil der daraus entstehenden Software. Dadurch wird der Autor der Anforderungen (also häufig auch der Auftraggeber!) zum Mit-Urheber! Eigentlich logisch, aber nach der Reaktion des Publikums zu schließen war das den meisten Anwesenden (inklusive mir) in dieser Tragweite nicht bewusst.
Qualität von Modellen
Thorsten Cziharz: Qualität von Modellen – Einführung von Metriken für Modelle
Bei diesem Vortrag ging es um die Bewertung von Anforderungen hinsichtlicher ihrer Qualität. Im speziellen bei Modellen. Der Vortragende hat zwischen unterschiedlichen Arten der Prüfung unterschieden (syntaktisch, intelligent, gemischt) und einige Beispiele gebracht.
Interessant war die Erinnerung wie die Größe der Stichprobe (für die Prüfung) ermittelt werden kann. Statistik-Bewanderte empfehlen hierfür entsprechende Tabellen: Je nach Kritikalität (Stufe I, II, III) und der Anzahl der Messobjekte (Use Cases, Anforderungen, etc.) sollte die benötigte Anzahl in der Tabelle nachgeschlagen werden, um eine passende Stichprobegröße zu ermitteln.
Mit dem nächsten Release wird alles besser
Oliver Kluge: Mit dem nächsten Release wird alles besser
Bei diesem interessanten Vortrag ging es um ein Beispiel der Versicherungskammer Bayern, die neue Vertriebsanwendungen entwickelt hat. Dabei wurden auf Basis von Usability-Betrachtungen die vorhandenen Anwendungen Schritt für Schritt einem Re-Design unterzogen.
Ein Erfolgsfaktor: Die Anforderungen wurden nicht bei den Vertriebspartnern erfragt, sondern aus einem umfassenden Verständnis der Arbeitsaufgaben der tatsächlichen Nutzer abgeleitet. Es wurden also die Aufgaben analysiert und modelliert und erst daraus die Anforderungen abgeleitet.
Diese Technik (Usability, Observation) wird meiner Ansicht nach häufig unterschätzt. Es freut mich bei dem Vortrag einen so guten Beweis dafür gefunden zu haben.
Ein lohnenswerter Besuch
Für mich hat sich der Besuch der ReConf sehr gelohnt. Ein paar intensive Stunden vollgepackt mit Ideen, Eindrücken und Stimmungen bedeutet einen neuen Schwung, den ich in meine Beratungstätigkeit gerne einfließen lasse.