In der vergangenen Woche waren Ingrid und ich zu Gast bei der REConf, der Requirements Engineering Tagung, die vom 29. Februar bis 4. März in München stattgefunden hat. Hier möchte ich einige Erfahrungen von der Konferenz teilen und welche Erkenntnisse ich daraus mitgenommen habe.
Die Konferenz stand heuer unter dem Motto „Connecting People – Overcoming Barriers“. Und dieses Motto hat sich auch schön in den einzelnen Tracks wiedergefunden, beispielsweise mit einem eigenem Track zum Thema „Sprache & Kultur“, der sehr gut besucht war. In diesem Track fand auch unser Vortrag zum Thema „Hybrid Thinking“ statt – aber dazu später.
Der Eröffnung der REConf am Dienstag folgte die Keynote von Gunter Dueck zu seinem Buch Schwarmdumm. Gunter Dueck kommt bei den Teilnehmern der Konferenz anscheinend so gut an, dass er bereits mehrmals die Keynote halten durfte. Für mich etwas langweilig, da ich bereits die meisten seiner Geschichten von der Keynote bei der REConf 2014 kannte. Seine Aussagen sind aber durchaus schlau und pointiert. Beispielsweise zur Warteschlangentheorie: „Verplanen Sie nicht mehr als 85% der Arbeitszeit“, und das will er insbesondere auf Manager bezogen wissen: Denn wer wegen andauernden Meetings nicht mehr erreichbar für Entscheidungen ist, ist Schuld an einer Spur von halbtoten Projekten. Oder: „Unterscheiden Sie immer zwischen Korrelation und Kausalität.“ Ein guter Tipp, den sich alle zu Herzen nehmen sollten, die gerne Statistiken zitieren (oder gar an selbige glauben).
Ich persönliche finde jedoch Gunter Duecks Vorträge etwas anstrengend. Er hat das Stammeln zur Kunstform erhoben und die Zuhörer stört es anscheinend nicht, permanent beleidigt zu werden. Die Zeit nennt ihn den Hofnarr der digitalen Elite – und hat damit wohl nicht ganz Unrecht: Während der etwas linkisch wirkende Dueck die Dummheit der Menschheit anprangert, insbesondere die Gattung der Betriebswirte, lachen die Zuhörer über seine Pointen. Das nimmt den Beleidigungen die Schärfe, zumal Duecks Stimme dabei immer wieder bricht und fast weinerlich wirkt. Man kann ihn eigentlich nicht Ernst nehmen und weiß doch, dass er im Grunde Recht hat. Der Hofnarr darf nun mal die Wahrheit sagen, ohne gehängt zu werden…
Der nächste Vortrag, den ich besucht habe, war jener von Ursula Meseberg zum Thema „Requirements Engineering und Business Analyse auf dem Weg zu Global Professions“. Dabei hat die Geschäftsführerin von microTOOL die unterschiedlichen Lehrpläne von IREB, IIBA und PMI miteinander verglichen. Mich hat das ganze natürlich besonders interessiert, weil ich in den letzten Wochen, nein Monaten, in einer Arbeitsgruppe des IREB e.V. mitgearbeitet habe, der auch Ursula Meseberg angehört. In der Arbeitsgruppe haben wir die Inhalte von IREB und IIBA miteinander verglichen: Eine direkte Folge der strategischen Zusammenarbeit der beiden Vereine.
Ich habe mich gefreut, dass bei Frau Mesebergs Vortrag erste Ergebnisse unserer Arbeitsgruppe präsentiert werden konnten.
Ihren grundsätzlichen Aussagen kann ich zu 100% zustimmen: IIBA’s BABOK® Guide zeigt in den strategischen Bereichen Stärken und eine Alleinstellung. Das CPRE-Schema des IREB kann insbesondere mit hohem Detailgrad aufwarten und das PMI hat vom IIBA abgeschrieben, aber eine sehr gut lesbare und praxisnahe Lektüre geschaffen. Okay, das mit dem Abschreiben hat Frau Meseberg nicht so deutlich gesagt, aber wer einen Blick auf die Autoren wirft und die Geschichte zwischen PMI und IIBA kennt, kann den Einfluss klar erkennen…
Am Nachmittag hatten meine Frau und ich auch schon unseren Vortrag über Hybrid Thinking.
Ingrid und ich haben uns im Rahmen unserer Unternehmensberatung auf zwei Spezialgebiete fokussiert: Ich vertrete die Business-Analyse und meine Frau, Ingrid Gerstbach, die Innovationsmethode Design Thinking. Methoden der Business-Analyse vertrauen – wie der Name schon sagt – viel auf analytische Vorgehensweise. Design Thinking setzt auf Kreativität und Empathie.
Nach vielen Projekten, die wir – mal gemeinsam, mal unabhängig voneinander – durchgeführt haben, sind wir immer mehr zum Fazit gekommen, dass Projekte und Veränderungen in Unternehmen am besten funktionieren, wenn man sowohl auf Analyse als auch Empathie setzt: Wir nennen es Hybrid Thinking und genau darum ging es in unserem Vortrag.
Mehr dazu auch in einem Beitrag von Ingrid auf itdaily: Wie Sie mit Hybrid Thinking IT-Projekte erfolgreicher machen.
Danke an die vielen Besucher bei unserem Vortrag und das tolle Feedback. Wir haben uns fest vorgenommen in Zukunft öfters gemeinsam auf die Bühne zu gehen! 🙂
Nach der Keynote von Udo Wiegärtner fand am Abend eine Podiumsdiskussion zum Thema „RE ist out, es lebe Design Thinking“. Nachdem dies ja fast als eine natürliche Fortsetzung unseres Vortrags angesehen werde konnte, war ich natürlich neugierig. Auf der Bühne teilgenommen haben Boris Gloger, Burkhard Perkens-Golomb, Uwe Valentini und Dr. Kim Lauenroth.
Generell bin ich bei Podiumsdiskussion immer etwas skeptisch: Die Statements sind oft viel zu lange und nach 10 Minuten sind sich alle Diskutanten einig und die Spannung ist am Boden. In diesem Fall hat es aber ganz wunderbar geklappt und es enstand nach dem anfänglichen gegenseitigen „Abtasten“ der Teilnehmer eine spannende Diskussion.
Boris Gloger hat den Anfang gemacht und die These aufgestellt, dass Requirements Engineering, in der jetzigen Form nicht mehr funktioniert und es neue Ansätze, wie Design Thinking braucht, das den Nutzer oder Kunden in den Vordergrund stellt, damit Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben.
Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir allerdings die pointierten Aussagen von Kim Lauenroth (IREB e.V., adesso). Er war sichtlich gut vorbereitet und hat es auch verstanden das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Ich würde seinen Standpunkt so zusammenfassen, dass Requirements Engineering eigentlich per se alle Ziele des Design Thinking enthält: Kunden und Nutzer sind eine wichtige Kategorie von Stakeholdern und natürlich im Fokus des Requirements Engineering. Und das Ziel des Requirements Engineerins isfür diese Stakeholder passende Systeme zu schaffen, deckt sich mit dem Ziel von Design Thinking.
Allerdings waren sich alle Teilnehmer einig, dass es bei Design Thinking mehr um ein Mindset geht (vgl. Ingrids Seite über 4×4 Design Thinking) und genau dieses Mindset spielt in der gelebten Praxis des Requirements Engineering leider oft keine Rolle.
Etwas schade fand ich, dass bei der Podiumsdiskussion keine Fragen aus den Zuhörern eingebunden wurden. Außerdem hatte ich manchmal den Eindruck, dass manche Mitstreiter am Podium Design Thinking nur theoretisch „auf Wikipedia-Level“ kannten. Aber zusammenfassend war der Programmpunkt wirklich gelungen und hat hoffentlich bei gestandenen Requirements Engineers das Interesse an Design Thinking geweckt und auch aufgezeigt, wie wichtig Kultur und Mindset bei der Veränderung von Unternehmen und Systemen sind.
Was bei einer Konferenz natürlich nie fehlen darf, ist der informelle Austausch in den Pausen. Die REConf ist der größte Branchentreff der deutschsprachigen Requirements Engineering-Szene und es war schön alte Bekannte zu treffen und neue Gesichter kennenzulernen.
Fazit: Es war eine gelungene Konferenz! Danke an die Organisatoren.
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Vielen Dank euch beiden noch mal für den tollen Beitrag auf der EMA! Besonders das Wechselspiel zwischen fokussierter Anslyse und lösungsraumerweiterndem Design-Thinking war sehr dynamisch.