Im ersten Teil dieser kurzen Serie haben wir uns mit den Rahmenbedingungen für die Anwendung von Design Thinking näher auseinandergesetzt. Kurz zusammengefasst: Design Thinking ist eine Methode, um komplexe Probleme in unserer stetig wachsenden Gesellschaft effizient und effektiv zu lösen. Im Zentrum dieser Methode steht der Kunde/Nutzer samt seinen persönlichen Bedürfnissen. Neben dem offenen, flexibel zu gestalteten Raum und dem interdisziplinären Team, gibt es noch eine Konstante, die zum Erfolg von Design Thinking beiträgt: Der Prozess, der Thema dieses Beitrags ist.
Das Team ist nun ausgewählt und eingeladen, der passende Raum okkupiert – jetzt gilt es, die Aufgabenstellung zu formulieren:
Die sogenannte Design Challenge – die eigentliche Aufgabenstellung – gibt eine grobe Richtung vor, wohin sich die Lösung bewegen soll. Grob insofern, da sie auf keinen Fall einschränkend wirken soll. Die Design Challenge “Wie können wir besser intern per Mail kommunizieren?“ ist an sich schon viel zu eng. Eventuell lautet die für das Unternehmen passende Lösung, dass überhaupt nicht mehr per Mail kommuniziert wird, sondern dass ein spezieller Kommunikationsraum eingerichtet wird. Oder es wird ein Intranet aufgebaut. Oder es zeigt sich, dass die Kommunikation per Telefon am sinnvollsten ist. Oder oder oder…
Offener und damit passender für unseren Design-Thinking-Prozess wäre z.B. die Fragestellung „Wie können wir effizienter intern miteinander kommunizieren?“ Eine mögliche Lösung dabei kann durchaus sein, dass es eine Art Leitfaden für interne Mails (wann sinnvoll, wann besser doch zum Telefonhörer greifen, was muss Inhalt einer Mail sein, welche Infos sind zu vertraulich für Mail etc.) das Ergebnis ist. Diese Art der Fragestellung weiten vor allem Ihren Blickwinkel und lädt eine Vielzahl an neuen Ideen ein.
Steht die Design Challenge, ist somit Richtung und Rahmen definiert. Bei jeder Design Challenge sollte letztlich der Kunde im Mittelpunkt stehen: Es geht um dessen Bedürfnis, das angesprochen werden soll.
Lassen Sie uns nun Schritt für Schritt den Design-Thinking-Prozesses ansehen. Vorab: Wenn Sie nach Design Thinking suchen, werden Sie eine Latte an unterschiedlichen Abfolgen finden – von drei bis zu acht Prozessschritten ist alles denk- und machbar. Welchen Aufbau Sie für sich wählen und welcher sinnvoll bei Ihrer Fragestellung ist, bestimmt letztlich die Anzahl Ihrer Prozessschritte.
Wir verwenden bei unseren Design Thinking Sessions vier Prozessschritte. Diese haben sich als am praktikabelsten erwiesen und sind auch leichter zu vermitteln.
Der wahre Grund, warum das Team interdisziplinärer Natur ist, ist die Vielfalt an verschiedenem Wissen und Erfahrungen. Diese hilft dabei, Fragen zu stellen, um wirkliches Verständnis aufzubauen. Dadurch werden erste Wissenslücken sichtbar, die gleich mittels Recherche und tieferen Nachfragen gefüllt werden. Um sich aber nicht irgendeine Lösung aus den Fingern zu saugen, wird dabei der Blick auf den realen Nutzer/Kunden gelenkt: Was ist sein/ihr Hintergrund? Wer hat den Anstoß gegeben? Das Verhalten des Nutzers wird genau beobachtet, hinterfragt, analysiert. Das Team versucht sich mit allen Mitteln in den Nutzer hineinzuversetzen: Dazu überlegen sie z.B. welche Assoziationen die Mitarbeiter mit dem momentanen Kommunikationsmodell haben und befragen weitere, vollkommen willkürliche Personen, um weitere Ideen davon zu bekommen. Was sind Störpunkte am momentanen Kommunikationsmodell? Was könnte verbessert werden? Was funktioniert gut? Werden Sie zum Detektiv und gehen Sie auf Entdeckungsreise!
Diese gesammelten Eindrücke und Erlebnisse werden im zweiten Schritt gesammelt, sortiert, analysiert, wieder neu sortiert und verdichtet. Das Ergebnis dieser Phase ist der Point-of-view und eine verdichtete Design Challenge. Als Nebenprodukt bekommen Sie viele Aha-Erlebnisse und -Momente, neue Informationen. Aber es werden oft auch weitere Wissenslücken sichtbar, die mit allen Teammitgliedern geteilt und bearbeitet werden. In diesem Schritt empfiehlt es sich vor allem visuell und mit wenig Text zu arbeiten: Nutzen Sie dazu Fotos, Filmaufnahmen oder mitgebrachte Gegenstände – machen Sie Ihre Erkenntnisse und Erlebnisse für alle Beteiligten greif- und sichtbar.
Der Point-of-View wird dann so formuliert: „Wie können wir <Nutzer> helfen, dass er/sie <Ziel> erreicht und wir dabei gleichzeitig sein/ihr <Bedürfnis> berücksichtigen?”
Der Point-of-view sollte nicht einfach so im leeren Raum stehen bleiben, sondern will schnellstmöglich bearbeitet werden. Dazu werden anhand verschiedenster Kreativitäts- und Brainstorming-Techniken möglichst schnell ohne groß nachzudenken eine Vielzahl an Lösungsvorschlägen und Ideen produziert. Um das zu meistern, gilt es sich an gewisse Vorgaben zu halten: Feedback und Kritik ist in dieser Phase nicht willkommen, aber wichtig sind vor allem ausgefallene Ideen! Erfinden Sie das Rad nicht neu, sondern bauen Sie lieber existierende Ideen weiter aus! Quatschen Sie nicht, sondern beginnen Sie lieber zu zeigen, was Sie meinen. Sollte die Luft mal tatsächlich draußen sein, fragen Sie sich einfach „Was würde Superman tun?“.
Die Vorschläge werden allesamt gesammelt, geclustert und danach anhand von vordefinierten Kriterien wird die beste Idee ausgewählt.
Bei jedem Schritt sollte nie vergessen werden, für wen eigentlich dieser ganze Prozess betrieben wird: Der Nutzer. Er oder sie ist die Person, deren Wunsch erfüllt werden soll. Dementsprechend wichtig ist sein oder ihr Feedback auch. Um dem Nutzer miteinzubeziehen, eignen sich Prototypen, die die gesamte Idee oder einzelne Funktionen daraus erlebbar und greifbar machen. Dabei sind die Design Thinking Teilnehmer aufgefordert, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen: Schaffen Sie aus Legosteinen ganze Welten, überlegen Sie sich kreative Werbeslogans, drehen Sie ein Video von Ihrem Rollenspiel, verkleiden Sie sich, bauen Sie aus Plastilin das Produkt nach etc. Achten Sie dabei darauf, dass der Prototyp einen möglichst unfertigen Eindruck macht. Der Hintergrund: Ist ein Produkt/Dienstleistung bereits zu sehr ausgereift, wird es schwierig, ehrliches Feedback zu geben, das sich alleine auf die Funktionalität und nicht nur auf die Ästhetik bezieht. Für Sie selbst ist es auch einfacher im schlimmsten Falle den Prototypen ganz zu verwerfen und zurück an den Start zu gehen.
Nun ist es auch an der Zeit, den Nutzer/Kunden einzuladen und um seine Meinung zu bitten. Kurz, knapp und knackig wird ihm der Prototyp mit den wichtigsten Eckpunkten vorgestellt. Die Aufgabenstellung lautet, den Prototyp auf Herz und Nieren zu untersuchen und auszuprobieren, was das Zeug hält. Es darf ausprobiert, angefasst, mitüberlegt, nachgefragt etc. werden. Das Team nimmt dabei das Feedback möglichst kommentarlos an und baut Ideen und neue Ansätze gleich vor Ort und mit dem Nutzer um.
Die genaue Umsetzung ist nun nicht mehr Aufgabe des Design-Thinking-Teams, sondern anderer Umsetzungsspezialisten. Das Wissen aus dem Prozess wird so aufbereitet, dass Produkte hergestellt, Software programmiert und Dienstleistungen und Prozesse umgesetzt werden können.
Es ist Ihnen bestimmt schon aufgefallen: Wenn der Nutzer so intensiv miteinbezogen wird, sieht er sich selbst bereits als Teil der Lösung und nimmt das Produkt/Dienstleistung auch viel schneller an. Aber Sie haben damit nicht nur einen weiteren Fan gewonnen, sondern Sie bekommen ehrliches Feedback, das keine Marktanalyse der Welt Ihnen sonst geben könnte. Die Aussagekraft ist enorm.
Aber auch Kommunikationssilos werden gebrochen, die Menschen beginnen wieder zu reden, erkennen, wer hinter der Fassade des sonst vielleicht eher stillen Mitarbeiters wohnt. Sie erhalten neue Zugänge und haben in dem Design-Thinking-Prozess viel miteinander erlebt und gemeinsam erarbeitet. Ist das nicht das schönste „Nebenprodukt“ für ein Unternehmen, wenn die Mitarbeiter nicht nur zu Unternehmens-Evangelisten werden, weil sie an der Lösungsfindung direkt beteiligt werden, sondern Abteilungen auch plötzlich wieder miteinander sich auch weiterhin austauschen?
Design Thinking ist viel mehr als eine von vielen neuen Methoden, um Problemlösungen zu finden. Für uns und unsere Mitarbeiter ist Design Thinking ein Mindset, eine Haltung, in der es um Achtsamkeit gegenüber der Außenwelt geht. Es ermöglicht einen großartigen Perspektivenwechsel und schafft Vertrauen in die eigene Lösungsfähigkeit.
Wie Sie mit Design Thinking zu neuen Lösungsansätzen finden, erfahren Sie aber am besten, indem Sie es selbst ausprobieren und entdecken.
Wenn Sie neugierig geworden sind, lade ich Sie herzlich ein, sich auf unserer Design Thinking Website noch ein wenig umzusehen. Ich freue mich auf jeden Fall von Ihnen zu hören 🙂
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