Die Prinzipien der agilen Software-Entwicklung wurden im Februar 2001 im Agilen Manifest veröffentlicht – also vor fast genau 10 Jahren – und haben sich seitdem immer weiter verbreitet.
Einer der vier Werte des Agilen Manifests lautet:
Customer collaboration over contract negotiation.
Was das Zitat betrifft, möchte ich zuallererst betonen, dass dieser Satz nicht bedeutet, dass Leistungsbeschreibungen in Verträgen unwichtig sind. Sie sind wichtig. Aber die Zusammenarbeit mit dem Kunden ist eben noch wichtiger.
Das Thema „Customer Collaboration“ ist aus meiner Sicht sehr herausfordernd. Die Zeit mit dem Kunden ist in fast jedem Software-Projekt knapp: In einem Unternehmen haben die wichtigen Entscheidungsträger immer einen vollen Terminkalender und die erfahrensten Anwender der zu bauenden Software sind im operativen Geschäft unabdingbar. Das selbe trifft aber auch auf das Entwicklungsteam zu: Die Zeit mit dem Kunden zu interagieren vermindert die aktive Entwicklungszeit. Unter anderem aus diesem Grund werden Rollen wie „Business Analysten“ oder „Product Owner“ eingeführt, die sich der Zusammenarbeit zwischen dem Entwicklungsteam und dem Kunden widmen oder als Sprachrohr des Kunden agieren.
Vor einiger Zeit durfte ich einmal in einem sehr spannenden Projekt ganz intensiv miterleben, was gute Kundenzusammenarbeit wirklich bedeutet und ermöglicht:
Das Projektziel war, eine existierende aber nie fertiggestellte Spezialanwendung für die Risikobewertung eines Energieversorgers um Funktionalität zu erweitert und für die Produktivstellung bereit zu machen. Die bisherigen Entwickler der Anwendung hatten das Unternehmen verlassen bzw. andere Positionen eingenommen und konnten aus diesem Grund nicht mehr eingebunden werden. Die Materie erforderte ein Kombination aus mathematischem Verständnis und Know How im Bereich des Handels von Energie an Strombörsen.
Als Entwickler und Business Analyst in einem kleinen Team hatte ich einen guten Überblick über den gesamten Projektumfang. Obwohl die Materie sehr anspruchsvoll war, konnten wir diese schwierige Aufgabe erfolgreich lösen. Erfolgsfaktor war dabei unter anderem das außergewöhnliche Engagement des Kunden: Die Mitarbeiterin, die als fachlicher Ansprechpartner fungierte, nahm sich täglich Zeit für die Beantwortung offener Fragen – obwohl das Tagesgeschäft viel Zeit in Anspruch genommen hat. Durch die stetige Unterstützung (mal für eine wenige Minuten dauernde Frage, mal für eine ausführlichere Erläuterung eines Algorithmus) war es dadurch möglich auftretende Probleme schnell und effizient zu lösen.
Das obige Projektbeispiel kommt aus dem Bereich des Software-Engineering. Doch was bedeutet die Wertaussage „Customer collaboration over contract negotiation“ in der Business Analyse?
Business Analyse erfordert Verständnis für die Domäne des Unternehmens und ein noch tieferes Verständnis für die involvierten Personen. Egal, ob es um die Veränderung von Prozessen oder die Unterstützung durch die passende Software geht, der Hauptfaktor sind die Menschen, die die Prozesse leben und die Software verwenden. In diesem Umfeld ist es oft nicht sinnvoll die Vorgehensweise bei der Analyse im Vorfeld auf Punkt und Beistrich zu planen und in einem Vertrag festzuhalten. Vielmehr gilt es auf die Schwächen und vor allem die Stärken des Unternehmens und seiner Mitarbeiter einzugehen und diese gewinnbringend zu nutzen. Das strikte Verfolgen von Meilensteinen kann dabei leicht die Kreativität und die Qualität der Lösung verringern. Aus diesem Grund halte ich es für sinnvoller die Zusammenarbeit durch Vertrauen und stetiger Kommunikation zu fördern, anstatt nur blind vertraglich vereinbarte Ziele zu verfolgen.
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